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Rote Malven bei Heidelberg im Juli 2004

 

 

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Auf der Suche nach den verlorenen Ritualen

Kongress "Ritual und Grenzerfahrung" in der Neuen Universität eröffnet - Vorträge, Workshops, Gongklänge und Konstantin Wecker

Mit Klavierklängen von Professor Rolf Verres, Gongschlägen, jeder Menge leckerer Äpfel zur Stärkung, interessanten Vorträgen und einem Konstantin-Wecker-Konzert wurde gestern der Kongress "Ritual und Grenzerfahrung" in der Neuen Universität eröffnet; Veranstalter ist die Abteilung für Medizinische Psychologie des Universitäts-Klinikums. Die Medizinischen Psychologen sind mit mehreren Projekten an dem von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Sonderforschungsbereich "Ritualdynamik" beteiligt; seit Mittwoch hatten bereits mehrere Workshops einzelne Themen des Kongresses, etwa Trauer- oder Trennungsrituale, aufgegriffen.

Während Oberbürgermeisterin Beate Weber in ihrem Grußwort noch rätselte, wie viel Prozent seiner Zeit ein Mensch wohl täglich mit Ritualen verbringe, gab Professor Wilhelm Schmid wenig später die Antwort. "Etwa zwei Drittel bis vier Fünftel des Tages verbringt der Mensch mit ritualisierten Handlungen", so der Professor aus Erfurt. Und das sei auch gut so: denn Rituale ersparen es uns, unentwegt neue Entscheidungen treffen zu müssen. "Ohne feste Formen wird das Leben schwierig, wenn nicht unmöglich", so Schmid in seinem Grundsatzreferat.

Rituale berühren den Menschen in seinem Inneren; das unterscheidet sie von Routine, die meist als leer und langweilig erlebt wird. Rituale hingegen geben Sinn, entheben den Menschen für eine Weile der Vergänglichkeit und sind in Krisenzeiten und an Wendepunkten des Lebens besonders wichtig. "Rituale geben dem Einzelnen Halt, und sie schaffen soziale Zusammenhänge", so Professor Schmid, der auch an der Staatlichen Universität Tiflis/Georgien lehrt und von dort gleich ein Beispiel mitbrachte.

In dieser vormodernen Gesellschaft sind beispielsweise Trauerrituale beim Tod eines Angehörigen seit Jahrtausenden tradiert, kaum verändert und dennoch sehr lebendig. Wie kraftvoll sie dennoch wirken, berichtetet Schmid aus eigener Anschauung. In unserer westlichen, postmodernen Kultur hingegen hätten sich der Einzelne und die Gesellschaft von vielen Ritualen befreit mit dem Erfolg, "dass die Verzweiflung der Befreiten wachse und man sich auf die Suche nach neuen Ritualen machen müsse".

Gemeinschaft stiftende Rituale wirkten gegen die Vereinzelung, die Einsamkeit des Individuums werde so für eine bestimmte Zeit aufgehoben, so Schmid. "Denn Rituale verlaufen in einer zyklischen Zeit, in der nicht jede Sekunde zählt, sie kehren zuverlässig wieder und vermitteln so Geborgenheit". Das sei auch einer der Gründe, warum Kinder Rituale innig lieben und größten Wert darauf legen, dass Weihnachten, Geburtstage und Feste immer gleich ablaufen.
Warum Rituale überhaupt wirken, und was ihr eigentlicher Antrieb ist, wurde gestern Nachmittag diskutiert, ebenso Rituale im Familienleben und Bestattungsrituale. Ein Schwerpunkt des Kongresses befasst sich mit der Bedeutung von Ritualen in existenziellen Krisensituationen; dazu gehört auch die Umwandlung von Trauer durch Symbole und Rituale, die dem Trauernden einen Wiedereinstieg in das aktive, erfüllte Leben ermöglichen. Dazu hielt der Trauerforscher Dr. Jorgos Canacakis einen eindrucksvollen Vortrag.

Ingeborg Salomon  in der RNZ vom 16.10.2004

 

 

JederMann - Verein gegen Männergewalt in Heidelberg

Bisher führte "JederMann" eher ein Dasein im Verborgen. Bekannt war der Verein, der sich der Arbeit gegen Männergewalt verschrieben hat, natürlich der Justiz wegen ihrer "Anti-Gewalt-Programme" im Gefängnis und ihrer sozialen Trainingsgruppen für gewalttätig gewordene Männer. Schulen haben mit den Workshops zur Gewaltprävention von Hans Schmidt und Meinolf Hartmann gute Erfahrungen gemacht.

Doch seit die Region nicht nur der Prozess um den hundertfachen sexuellen Missbrauch von Jungen durch den in Eppelheim wohnenden Dieter H., sondern auch durch die Entführung des kleinen Philipp aus der Reha-Klinik in Neckargemünd erschüttert wurde, sind viele aufgewacht. Das Thema ist auf dem Tapet. Das Tabu beginnt langsam aufzuweichen. Viele Eltern, aber auch Erzieherinnen und Lehrkräfte fragen sich, ob es nicht mehr Möglichkeiten gibt, Kinder zu schützen.

"Vertrauen ist wichtig, die Kinder müssen wissen, dass sie mit allem kommen können, egal, was es ist", erklärt Meinolf Hartmann. Das bedeutet auch, dass die Jungen und Mädchen ernst genommen werden mit dem, was sie erzählen. Vielen Erwachsenen ist gar nicht klar, dass es sich keinesfalls um ein Kavaliersdelikt, sondern um eine Straftat handelt. Deshalb, so die Forderung, gehören die Vorfälle auch rigoros der Staatsanwaltschaft angezeigt. Wer unsicher ist, ob bestimmte Verhaltensweisen auf einen Missbrauch hindeuten, darf zu den Verantwortlichen des Vereins gerne Kontakt aufnehmen.

Oft, so deren Erfahrung, wissen Erwachsene gar nicht, was Missbrauch eigentlich ist. In 95 Prozent der Fälle sind es nämlich nicht Fremde, die den Kindern Gewalt antun, sondern Verwandte und Vertraute. "Es gibt Pädokriminelle, die bauen sich über Jahre hinweg ein richtiges Netzwerk auf, um an die Kinder heranzukommen", schildert der Psychotherapeut. Sie beginnen beispielsweise Beziehungen zu allein stehenden Müttern, sind aber eigentlich an deren Kindern interessiert.

"Je früher die Aufklärung ansetzt, je besser", unterstreicht Hans Schmidt. Der Sozialpädagoge und Diplom-Psychologe ist der Ansicht, dass sogar schon Erstklässler und Kindergartenkinder "stark gemacht" werden können. Schon kleine Kinder können spielerisch lernen, dass ihr Körper ihnen gehört und keiner ein Recht hat, ihn einfach anzufassen. Auch klar zu sagen, "ich möchte das nicht", wenn einem das Verhalten eines anderen Menschen Unbehagen bereitet, kann geübt werden. "Solche Grenzen kann man beibringen, ohne die Kinder zu verschrecken und ohne Sexualaufklärung zu machen", beruhigt der Psychotherapeut besorgte Pädagogen. Letztlich gehe es darum, dass Kinder Vertrauen in ihre eigenen Gefühle entwickeln. "Vertrauen muss geübt werden, Misstrauen aber auch", macht er deutlich.

All das hilft den zahlreichen Opfern von Dieter H. nicht mehr. Unterstützung könnten sie allerdings in einer Therapie finden. "Ungeschehen kann natürlich auch sie nichts machen", erklärt Hartmann. Allerdings könne es bei in solchen Dingen erfahrenen Therapeuten glücken, über das Geschehene zu sprechen, die Wut zu spüren, von den Selbstvorwürfen loszukommen und dem Täter die Macht über seine Opfer zu nehmen. Ob Einzel- oder Gruppentherapie besser sind, sei jedoch von Kind zu Kind verschieden. Wenn es sich um zahlreiche Opfer handele, könne es aber auch helfen, das Geschehene gemeinschaftlich zu verarbeiten. Zur Therapie der Täter haben die beiden eine sehr entschiedene Meinung: "Die Alternative ist nicht Strafe oder Therapie, sondern Strafe vor Therapie." Natürlich kann auch Sexualstraftätern geholfen werden, zu erkennen, warum sie immer die Mächtigen sein müssen und Kinder als Instrumente dafür missbrauchen.

Dafür tauchen Hartmann und Schmidt mit den Tätern tief in das Verbrechen ein, versuchen für sie erlebbar zu machen, wie sich die Opfer dabei gefühlt haben. Manche lernen dann, Verantwortung für ihre Taten zu übernehmen und Kontrollmechanismen einzubauen. Indes, das räumen die beiden Psychotherapeuten unumwunden ein, oft kann die Gesellschaft nur geschützt werden, wenn man die Täter dauerhaft von ihnen trennt. "Wo Therapie keine Chance hat, wird Zwang zur Pflicht", da macht sich Hans Schmidt gar nichts vor.

Kirsten Baumbusch auf www.rnz.de am 22.9.2004

JederMann, Kaiserstraße 6, 69115 Hheidelberg
Tel 06221 600101, Info@jeder-mann.org, Homepage: www.jeder-mann.org.

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