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Gewalt2004
 

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Ochsenbach bei Heidelberg - Frühling 2004

"Während die Politik lieber Debatten um reißbrettkonzipierte Bildungseliten führt,
finden sich viele Schüler in Wahrheit in Klassenzimmern wieder, durch die sich eine unsichtbare Demarkationslinie - hier Opfer, dort Täter - zieht".
Der Spiegel, 9.2.2004

 

16-Jährige sticht 17-Jährige nieder - neue Dimension der Gewalt

Der Tod eines 17-jährigen Mädchens, das von einer 16-Jährigen niedergestochen wurde, schockiert nicht nur in Karlsruhe

Die schlimmsten Spuren der Bluttat sind beseitigt, verschwunden sind sie dennoch nicht. Blumen liegen an einem Betonsockel am Karlsruher Kronenplatz. Der Ort nahe der Fußgängerzone ist ein beliebter Treffpunkt von Jugendlichen. Ein Internet-Café liegt vis-á-vis, gleich um die Ecke einer der namhaftesten Jazzclubs der Stadt. Dort, wo die 17-jährige Nicole vor fünf Tagen von einer 16-Jährigen niedergestochen wurde, brennen jetzt Kerzen. Nicole ist am Samstag gestorben. “Weine nicht, weil schöne Zeiten rum sind” , hat eine ihrer Freundinnen geschrieben, “lächle, weil du sie erlebt hast.” Die verhängnisvollen Sekunden, die keiner erklären kann, ereignen sich, als vier Mädchen am Mittwoch gegen Mitternacht mit der Straßenbahn zum Kronenplatz fahren. Augenzeugen glauben sich später zu erinnern, dass es in dieser Tram zu “harmlosen Schubsereien” , wie es die Staatsanwaltschaft nennt, gekommen sei. Nachdem die Mädchen ausgestiegen sind, geht der scheinbar harmlose Streit weiter — und dann eskaliert er.

Zwei Mädchen lösen sich aus der Gruppe. Eine sticht mit einem Klappmesser mehrfach auf ihr Opfer ein und tritt, als das Mädchen am Boden liegt, mit dem Fuß zu. Ein Augenzeuge eilt herbei, die mutmaßliche Täterin flüchtet. Notärzte schaffen es, die lebensgefährlich verletzte 17-jährige zu reanimieren. Zwei Tage ringt sie im städtischen Klinikum mit dem Tod — in dem Krankenhaus, in dem sie gerade ihr soziales Jahr absolviert. Dann sagen die Ärzte, sie sei außer Lebensgefahr. Doch als sich in der Nacht zum Samstag ihr Zustand urplötzlich verschlechtert, da sind auch ihre Ärzte machtlos.
Zwei Jugendliche aus der Mädchengruppe reden. Eine 23-köpfige Sonderkommission der Kripo Karlsruhe hat die beiden im Bekanntenkreis des Opfers ausfindig gemacht, als die Mediziner noch um das Leben der 17-Jährigen ringen. Ihre Bekannten begreifen nach und nach die Dimension des vermeintlich harmlosen Streites in ihrer Clique und geben der Polizei die entscheidenden Hinweise. Wenig später wird in einem Karlsruher Hinterhof das Klappmesser gefunden, mit dem die der Polizei bereits bekannte 16-Jährige zugestochen hatte. Die mutmaßliche Täterin wird bei ihrem Freund in Bruchsal festgenommen. In der Haft gesteht sie, zugestochen zu haben.

Warum hatten sich die Mädchen gestritten? Es sei um ein bisschen Geld und um Jungs gegangen und darüber, dass die eine vielleicht schlecht über die andere geredet haben könnte — “Nichtigkeiten” , sagen die Ermittler. Nichts, was so eine furchtbare Bluttat erklären würde. Die mutmaßliche Täterin, die aus Kasachstan stammt, sagt der Polizei, sie sei in den verhängnisvollen Sekunden mit dem Messer “außer sich gewesen” . Die Polizei spricht von einer neuen Dimension der Gewalt.

Gewalt gehört für die Beamten zum Alltag. Aber dass jetzt ein Mädchen zugestochen hat, sei “in dieser Brutalität unbegreifbar” , sagt Polizeisprecher Anton Gramlich. Es fällt das Stichwort Gewalt in den Medien und er erinnert daran, dass “die Jugendlichen konsumieren, was Erwachsene ihnen anbieten und womit Erwachsene viel Geld verdienen”. Das, sagt der Polizeibeamte, müsse täglich thematisiert werden, nicht nur nach einer solchen Bluttat. Das Jugendstrafrecht sieht für Mord bis zu zehn Jahre Gefängnis vor


GEWALT UNTER MÄDCHEN
Brutale Gewalt unter Mädchen gibt es in Deutschland gar nicht so selten:

Januar 2002: Auf einem Schulhof in Flensburg stößt eine 16-Jährige im Streit einer gleichaltrigen Mitschülerin ein Messer in den Bauch. Das Opfer wird notoperiert.

Mai 2002: Im niedersächsischen Alfeld foltern vier Mädchen stundenlang eine 15-Jährige und verletzten sie schwer. Sie treten und schlagen auf die Schülerin ein, drücken ihr brennende Zigaretten auf den Händen aus, zwängen ihren Kopf in ein Plumpsklo und stoßen sie in einen Teich. Motiv sind Streitereien um einen Jungen. Zwei der Täterinnen von 14 und 15 Jahren werden zu Freiheitsstrafen verurteilt.

September 2004: Schülerinnen misshandeln ein 13-jähriges Mädchen im Muldetalkreis bei Leipzig. Die Täterinnen malen ihrer Mitschülerin SS-Runen auf die Stirn und schreiben dazu den Satz “Ich bin eine Verräterin” .

März 2005: Ein 17 Jahre altes Mädchen sticht wegen Streitereien in Biberach (Baden- Württemberg) eine gleichaltrige Bekannte nieder. Das von zwei Stichen in Brust und Bauch getroffene Opfer wird vom Notarzt versorgt und kommt ins Krankenhaus.

März 2005: 13- bis 16-jährige Schülerinnen misshandeln ein 15-jähriges Mädchen in Düren (Nordrhein-Westfalen). Sie drücken brennende Zigaretten am Hals aus und schlagen ihr ins Gesicht. Motiv: Eifersucht.

Oktober 2005: Eine 17-jährige wird in Greifswald von vier 16- bis 18-jährigen Mädchen geschlagen. Eine 18-Jährige schlägt ihr mit der Faust ins Gesicht. Eine Täterin zerrt sie an den Haaren zu Boden, wo sie bespuckt und an Kopf und Körper getreten wird. Anschließend muss sie einer Täterin die Füße küssen.

Mai 2006: In Aurich in Niedersachsen ermittelt die Polizei Mädchen, die unter anderem eine 13-Jährige zusammengeschlagen und ihr eine Zigarette unter dem Auge ausgedrückt hatten.

5.6.2006, www.suedkurier.de
Tageszeitung für den Bodensee, Schwarzwald und Hochrhein

 

Junge Ausländer versuchen ungeborenes Kind zu Tode zu treten

Am vorletzten Wochenende hat sich in Berlin ein Verbrechen ereignet, das selbst abgebrühte Ermittler schockiert. Eine im siebten Monat schwangere junge Frau wurde so brutal mit Fußtritten und Schlägen traktiert, dass ihre Rettung – und die ihres ungeborenen Kindes – einem Wunder gleichkam

Was ist geschehen? Am Abend des 4. Dezember schleppte sich die 15-jährige Jasmin* mit schweren Unterleibsblutungen zur Sporthalle hinter der Hedwig-Dohm-Oberschule in Berlin-Moabit. Die dort Anwesenden riefen Polizei und Notarzt. Noch am Abend wurde ein Not-Kaiserschnitt vorgenommen, um das Ungeborene und die Mutter zu retten. Die Ermittlungen ergaben, dass Jasmin von ihrem 15-jährigen libanesischstämmigen Exfreund Hussein* und dessen 14-jährigem türkischen Freund Demir* zu einer Aussprache auf das Spielplatzgelände nahe der Schule bestellt worden war. Dort griffen die beiden Jungen das Mädchen mit Fußtritten und Schlägen in den Bauch an, »um das Kind zu töten«, wie der Polizeibericht sagt. Sie sollen die Schwangere auch gezwungen haben, von einer Kletterskulptur zu springen. Sie ließen erst von ihr ab, als sie blutete. Bevor sie flüchteten, nahmen die Jungen ihr das Handy weg, sodass sie keine Hilfe holen konnte.

Jasmin und Hussein waren Klassenkameraden. Ihre Beziehung hielten sie geheim. Als Hussein wegen schlechter Leistungen vor einigen Monaten auf eine Hauptschule wechseln musste, riss der Kontakt ab. Erst als Jasmins Schwangerschaft im siebten Monat nicht mehr zu verbergen war, weihte sie ihn ein. Wenige Tage später schlug er zu.

Hussein ist bei der Polizei wegen früherer Gewalttaten einschlägig bekannt. Er sitzt jetzt in Untersuchungshaft, schweigt aber zu den Vorwürfen. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen ihn und seinen Freund wegen gefährlicher Körperverletzung, versuchten Schwangerschaftsabbruchs und Raubes. Der Diebstahl des Handys, erklärt der Sprecher der Berliner Justiz, Michael Grunwald, könne »ironischerweise« zu einer höheren Freiheitsstrafe führen als die beiden anderen Anklagepunkte. Husseins Freund erhielt Haftverschonung, nachdem er seine Beteiligung an der Tat zugegeben hatte. Zu möglichen Gesundheitsfolgen für Mutter und Kind will sich das Krankenhaus nicht äußern.

Die Verrohung der Täter macht, für sich genommen, schon ratlos. Doch wie soll man sich den Mangel an Empathie in den Reaktionen ihres Umfelds erklären? Jugendliche aus Husseins Umkreis tauchten im Virchow-Krankenhaus auf, um Jasmin unter Drohungen zur Rücknahme ihrer Aussage zu bewegen. Vor der Schule drohten arabischstämmige Jugendliche, Jasmin sei »dran«, wenn Hussein ins Gefängnis müsse. Und Husseins Mutter sagt über ihren Jungen, gegen den bereits Verfahren wegen Körperverletzung, Diebstahl und Beleidigung laufen: »Mein Sohn ist noch klein, der bringt keine Mädchen mit nach Hause.«

Nach dem Mord an Hatun Sürücü im Februar dieses Jahres – sie wurde von ihrem eigenen Bruder ermordet, weil sie »wie eine Deutsche« gelebt hatte – begann eine überfällige Debatte über die Situation von Frauen und Mädchen in islamisch geprägten Migrantenmilieus. Husseins und Demirs Fall zeigt, wie dringlich eine Beschäftigung mit der Gegenseite ist: den Jungen und Männern.
Gesamten Text von Jörg Lau vom 15.12.2005 auf www.zeit.de lesen

 

 

 

Mitschüler erpresst an der Friedrich-Ebert-Schule in Schopfheim

Warum hat niemand etwas gesagt? Monatelang erpresste eine Bande Halbstarker Mitschüler an der Friedrich-Ebert-Schule in Schopfheim. Aus Angst schwiegen die Opfer.

Als Alexander * und seine Kumpanen den zehnjährigen Daniel auf dem Schulhof gegen die Hauswand drücken, seine Taschen nach Geld durchsuchen und ihm Schläge androhen, sind mehr als vierhundert Mitschüler und zwei Lehrer ganz in seiner Nähe. Doch Daniel traut sich nicht, um Hilfe zu rufen. Seit Monaten lauern die Halbstarken dem Jungen mit der Zahnspange und der Igelfrisur auf und fordern immer wieder Geld von ihm. Daniel schweigt. Genau wie 64 weitere Schülerinnen und Schüler der Friedrich-Ebert-Schule in Schopfheim. Eine hat im Oktober den Mut gehabt zu reden. In einer Versammlung der Schülermitverwaltung mit den Vertrauenslehrern erzählt die sechzehnjährige Klassensprecherin Sabine von den Vorfällen auf dem Schulhof. Das Mädchen nennt die Namen der vermeintlichen Erpresser, sie selbst ist mit einigen der Opfer befreundet. Schon länger hatte Rektor Wolfgang Gabriel geahnt, dass an seiner Schule irgendetwas nicht stimmte. Mehrmals nahmen er und seine Kollegen Schüler beiseite und fragten, ob es Probleme gäbe. Doch die Kinder schwiegen. „ Ich konnte nichts machen“ , erinnert sich Gabriel. Nach der Aussprache mit den Klassensprechern wird der Rektor aktiv und informiert Achim Hottinger und Siegfried Schmitt, die Jugendsachbearbeiter der Polizei in Schopfheim. „ Mir war klar, dass dies keine Bagatelle ist, die wir intern in der Schule regeln können.“ Die beiden Polizisten befragen die Schüler, und langsam fügt sich ein Puzzleteil zum anderen. „ Es war, als würde sich plötzlich ein Knoten lösen, und die Schwelle der Angst war durchbrochen“ , erzählt Gabriel. Vor allem in den unteren Klassen berichten Schüler, wie Alexander und seine Freunde sie bedrohten und ihnen Geld abnahmen. Nach und nach kommt das ganze Ausmaß der Erpressungen ans Licht. Inzwischen ermittelt die Staatsanwaltschaft in Waldshut wegen räuberischer Erpressung, Raub, Nötigung und Diebstahl in 60 Straftaten. Der vierzehnjährige Hauptverdächtige sitzt wegen Verdunklungsgefahr in Untersuchungshaft. Auf einer Geburtstagsfeier eines Schülers hatte er mit Schlägen gedroht, sollte dieser seine Anzeige nicht zurücknehmen. Die 16 Mittäter wurden von der Schulleitung mit Arrest und Verweisen bestraft, und Wolfgang Gabriel quält seitdem eine Frage: „ Warum haben die Schüler sich uns nicht anvertraut?“ 

9:10 Uhr: Große Pause an der Friedrich-Ebert-Schule. Kalter Nieselregen treibt die Schüler in kleinen Grüppchen unter bunte Regenschirme, ein paar Jungen spielen Fangen, mit dem Pausenbrot in der Hand. In seinem Kiosk im Vorraum der Schule verkauft Angelo Turturro, der Hausmeister, belegte Brote, Bananen und Getränke. „ Hey Angelo“ , „ wie geht’ s?“ schallt es aus allen Richtungen. „ Es ist okay, dass die mich duzen“ , sagt Turturro, „ solange sie Respekt haben.“ Von seinem Kiosk aus kann der 38-Jährige das Treiben auf dem Schulhof beobachten. Mehrmals war ihm in den vergangenen Monaten aufgefallen, dass einige Schüler sich von Kleineren Geld geben ließen. Angelo Turturro hatte einen Verdacht. Er informierte die Pausenaufsicht und versuchte in einer ruhigen Minute einen Fünftklässer zum Reden zu bringen. „ Ich hab ihm einen Euro geschuldet“ , war das Einzige, was er zu hören bekam. In Wahrheit wurde der Junge erpresst. „ Ich verstehe das nicht“ , sagt Turturro. „ Dabei hab’ ich ein prima Verhältnis zu den Schülern.“

„ Dieses Verhalten ist typisch für Mobbing-Opfer“, sagt Friedrich Mayer, der Leiter des Landesverbandes der Schulpsychologen in Baden-Württemberg. „Die betroffenen Kinder haben Angst, alles noch schlimmer zu machen, wenn sie sich jemandem anvertrauen.“ Die Peiniger drohen: Wenn du nicht spurst, geht es dir schlecht. Auf dem Pausenhof ist vielleicht noch ein Lehrer oder der Hausmeister, die eingreifen. Aber was ist auf dem Schulweg, nachmittags auf dem Sportplatz oder im Schulbus? Inzwischen wurde der Haupttäter der Schule verwiesen, die polizeilichen Ermittlungen sind abgeschlossen. Die Sache abhaken und zum Schulalltag zurückkehren kann man an der Haupt- und Werkrealschule in Schopfheim dennoch nicht so einfach. An diesem Morgen versammeln sich die Schüler in der großen Aula. Eigentlich wird hier gerade für ein Theaterstück dekoriert, an der Wand hängen bunte Tücher und gerahmte Zeichnungen aus dem Kunstunterricht.

Heute sind Achim Hottinger und Siegfried Schmitt, die beiden Sachbearbeiter für Jugendfragen der Polizei zu Gast, um mit den Kindern über das Thema „ Mobbing und Gewalt“ zu sprechen. Sie haben ohnehin eine wöchentliche Sprechstunde an der Schule, gehören sozusagen zum pädagogischen Personal. Die Polizisten klären auf über Drogenmissbrauch und auffrisierte Mofas, manchmal schlichten sie Streit. Ihre Sprechstunde ist meist ausgebucht. Von den erpressten Schülern suchte dennoch keiner bei ihnen Rat und Hilfe. Nach einem Grund für das Schweigen suchen die Polizisten noch immer. Die Schüler sitzen in der Aula an blanken Tischen, Neonröhren verbreiten kühles Licht. „ Ich finde es ganz großartig von euch, dass ihr den Mund aufgemacht habt“ , lobt Rektor Wolfgang Gabriel die Schüler. Er wirkt ein wenig wie ein gutmütiger Schiffskapitän, mit seinem angegrauten Bart und dem Rollragenpullover. Und wie jemand, der die Dinge anpackt. „ Ihr seht, euer Reden hat etwas bewirkt.“ Ein Mädchen will von Hottinger wissen, ob Alexander jetzt immer im Gefängnis bleiben muss, ein Junge sagt, er gehe jetzt wieder gerne zur Schule. Dann spricht der sechzehnjährige Schulsprecher Felix von der Schülermitverwaltung. „ Wenn ihr Probleme habt, dann kommt verdammt noch mal zu uns.“ Er bekommt tosenden Applaus. Dass Kinder sich Demütigungen und Gewalt von Mitschülern so lange schweigend gefallen ließen, erklärt sich der Schulpsychologe Friedrich Mayer damit, dass sie von Klein auf gelernt haben: „ Man petzt nicht“ und „ Man löst seine Probleme am besten allein“ . Dabei verwischt die Grenze zwischen normalen Sticheleien um die Hackordnung unter Kindern und systematischem Mobbing. Das Problem beschränkt sich keineswegs auf Hauptschulen. „ Gemobbt wird überall“ , sagt Mayer. Nur auf unterschiedliche Art und Weise. Hauptschüler gehen oft gewalttätig vor, weiß Mayer aus seiner Erfahrung. Gymnasiasten machen ihren Mitschülern durch subtile Sticheleien das Leben zur Hölle, Mädchen grenzen die Konkurrentin aus und schmieden Allianzen. „ Die Pädagogen müssen ihren Schülern klar machen, dass sie aggressives Verhalten und Ausgrenzung an den Schulen nicht dulden“ , sagt Mayer.

Später an diesem Tag treffen sich die Vertrauenslehrer mit den Polizisten und Wolfgang Gabriel noch einmal an dem langen Tisch im Lehrerzimmer der Friedrich-Ebert-Schule. Auf einem Regal reihen sich die Pokale von „ Jugend trainiert für Olympia“ , an der Wand hängt der Dienstplan des Kollegiums.

Vertrauenslehrerin Petra Brombacher hatte viele erpresste Schüler in der eigenen Klasse. Im Nachhinein hat sie immer wieder nachgebohrt: „ Warum habt ihr uns denn nichts gesagt?“ Eine Antwort darauf haben weder die Lehrer noch die beiden Polizisten. Nur Vermutungen: „ Meist ging es ja nur um kleinere Geldbeträge, mal 20 Cent, mal einen Euro“ , versucht sich Petra Brombacher die Sache zu erklären. Viele Kinder hätten einfach gezahlt, damit sie ihre Ruhe haben und die Gewaltandrohungen in Kauf genommen, glaubt Achim Hottinger. „ Dass es sich um Erpressung handelt, war vielen gar nicht bewusst.“ Petra Brombacher glaubt nicht, selbst Fehler gemacht zu haben, schließlich hätten nicht einmal die Eltern der betroffenen Kinder etwas gemerkt. Der Lehrer Wolfgang Steinhauser sieht das etwas anders und gesteht sich ein. „ Die haben von uns einfach keine Hilfe erwartet.“
* Die Namen aller Schüler wurden geändert
Katja Töpfer vom 10.12.2005 auf www.bzol.de lesen

 

 

 

 

Hildesheim: Euch passiert was - Türkenterror

Ein 13-jähriges Mädchen aus Hildesheim wird wochenlang von mehreren Jugendlichen misshandelt und vergewaltigt, und die Familie des Mädchens wird am Telefon bedroht.

Die Erklärung des Krominologischen Forschungsinstituts Niedersachsens lautet, "man müsse die türkische Herkunft der Täter berücksichtigen", denn "diese Jungen wachsen in einer ausgesprochenen Macho-Kultur auf", und dies könne "zu der Vorstellung führen, dass man sich als Mann eine Frau nimmt, wenn man sie haben will".

Diese Erklärung muss für alle Opfer männlicher Gewalt ähnlich zynisch klingen, als wollte man Opfer des Holocausts damit trösten, dass es nach der nationalsozialistischen Rassenlehre völlig in Ordnung schien, Juden zu töten und ihre Geschäfte zu plündern.

Unrecht bleibt Unrecht, egal, auch welchem Nährboden er gewachsen ist. Und vor dem Hintergrund einer Macho-Kultur, die Ehrenmorde und die Missachtung von Frauenrechten in unsere Kultur hineinträgt, ist es verständlich. dass der Gedanke ein einen möglichen EU-Beitritt der Türkei bei vielen Frauen (und auch Männern) großes Unbehagen auslöst.
Sylvia Knörr, Heidelberg, in www.rnz.de vom 28.5.2005

 

Frankenthal: Aus Spaß Menschen angezündet - Wohnsitzlosen zu Tode gequält

18-Jähriger in Frankenthal muss sieben Jahre in Haft / 18 Monate für Freundin

Frankenthal. Der Blick von Natascha R. schweift kurz über das Gesicht ihres Ex-Freundes. Björn T. schaut auf den Boden. Der 18-Jährige muss nach der tödlichen Attacke auf einen Wohnsitzlosen in der Frankenthaler Rudolf-Graubner-Anlage im September 2003 für sieben Jahre ins Gefängnis. Das Landgericht Frankenthal verurteilte ihn wegen Körperverletzung mit Todesfolge in Tateinheit mit versuchten Mordes. Seine Ex-Freundin Natascha R. hat sich nach Ansicht der Kammer der unterlassenen Hilfeleistung schuldig gemacht. Für die junge Frau bedeutet das 18 Monate Haft. Bei beiden Angeklagten wurden bereits verhängte Strafen wegen Körperverletzung berücksichtigt.

Natascha R. hält sich die Hand vor die Augen, als der Vorsitzende Richter Gerold Kraayvanger das Urteil begründet. Ursprünglich war das Paar wegen Mordes angeklagt, weil es einen 55-jährigen Obdachlosen gequält und angezündet haben sollte. Diesen Vorwurf hatten aber sowohl Staatsanwaltschaft als auch Gericht fallen gelassen. Der Wohnsitzlose sei bei dem nächtlichen Angriff des 18-Jährigen unglücklich auf die Lehne einer Parkbank gefallen und hatte sich einen Schädelbasisbruch zugezogen, an dessen Folgen er kurze Zeit später starb. Das Feuer habe den Tod nicht beschleunigt. Dennoch wertete die Kammer das Anstecken als Mordversuch. So hatte der 18-Jährige den Tod des Chlochards billigend in Kauf genommen. "Er hat sich einen Spaß daraus gemacht, den Mann anzuzünden", so der Vorsitzende. Das Verhalten des Jugendlichen siedelte Kraayvanger auf der "niedrigsten sittlichen Stufe" an.

Björn T. wirkt äußerlich unbeeindruckt. Der junge Mann mit dem kurz geschorenen Haar schaut seine Ex-Freundin nur einmal kurz an und senkt den Blick schnell wieder. Während des dreitägigen Prozesses sieht sich das ehemalige Paar nicht ein Mal in die Augen. Die beiden hatten sich gegenseitig der Tat beschuldigt. "Die Beziehung von Natascha zu Björn hatte Suchtcharakter", beschreibt eine Mitarbeiterin der Jugendgerichtshilfe die von Streits und Schlägen geprägte Affäre der Jugendlichen. Beide hatten die Schule wegen aggressiven Verhaltens ohne Abschluss verlassen müssen. "Sie kamen nicht voneinander los", charakterisiert Kraayvanger die Verbindung. Nach dem blutigen Vorfall sei man "Hand in Hand" zum Billard-Café zurückgegangen und habe erst später noch einmal nach dem Obdachlosen gesehen.

Björn T. hatte die ganze Sache als Unfall dargestellt. Da er aber im Verlauf der Ermittlungen drei verschiedene und vor Gericht noch eine vierte Version auftischte, stufte die Kammer seine Ausführungen als "unglaubhaft" ein. Zudem hatten mehrere Zeugen ausgesagt, dass der 18-Jährige in einem Jugendgästehaus mit der Tat geprahlt hatte. Das Urteil nimmt der Jugendliche im weißen T-Shirt gelassen auf.

Natascha R., die unter Tränen beteuerte, dass ihr alles "unendlich Leid tue", hatte ihren Freund von Anfang an beschuldigt. Zwar sei das blonde Mädchen "eine gute Schauspielerin", doch im Kern habe sie immer dasselbe gesagt, so der Richter. Die Theorie von T.'s Verteidiger, sie habe sich aus enttäuschter Liebe rächen wollen, hielt die Kammer für "nicht glaubhaft". Vielmehr habe der 18-Jährige den auf einer Parkbank liegenden Mann "abrippen" wollen. Als sich der Chlochard beim Durchsuchen der Taschen bewegte, sei R. weggegangen. Dennoch betonte der Vorsitzende, sei es "zumutbar" und "möglich" für das Mädchen gewesen, Hilfe zu holen. Als Natascha R. den Saal verlässt, drückt sie ihrer Mutter flüchtig die Hand.

Simone Jakob im Mannheimer Morgen am 08.07.2004, www.morgenweb.de

 

 

LernZeit.de: Jugendkriminalität

Ab sofort präsentiert sich LernZeit.de in einem neuen Design. Damit wird das
Angebot übersichtlicher und die Suche nach informativen Sendungen im Radio-
und TV-Programm des WDR erleichtert. Neu ist das "Wissensarchiv", das
ausführliche Internetdossiers, Manuskripte, Audio- und Videofiles sowie
programmbegleitende Online-Angebote der WDR-Programme bündelt. Lesen Sie
z.B. den Artikel "Jugendkriminalität in Deutschland", der aktuelle Daten und
Diskussionspunkte vorstellt und die 4-teilige WDR 5-Reihe "Mit aller Gewalt"
ergänzt.
http://www.lernzeit.de/sendungarchiv.phtml?detail=316381

 

PuR-Sendung "Gewalt an der Schule" im ZDF, 15.5.04 und 16.05.04

Werden deutsche Schüler gewalttätiger? Diese Frage wird seit Bekanntwerden der Gewaltakte an zwei Berufsschulen diesen Februar wieder breit diskutiert. Auch nach dem Blutbad am Erfurter Gutenberg-Gymnasium, das sich am 26. April 2004 zum zweiten Mal jährte, beherrschte das Thema Medien und Öffentlichkeit. Dabei ist Gewalt an der Schule für Schüler und Lehrer eigentlich immer ein Thema, denn das Problem ist nicht neu.
Trickfigur Petty und Moderator Jo Hiller wollen deshalb wissen: Was ist los an deutschen Schulen? Wie erleben die Schüler ihren Schulalltag? Wie oft gibt es Ärger und Gewalt wirklich? Und vor allem, was läuft falsch und wie könnte es besser laufen? PuR fragt auf Schulhöfen nach Erlebnissen und Meinungen der Schüler. PuR-Startmitglied Enie van de Meiklokjes hat außerdem hilfreiche Tipps parat. Sie zeigt, was man tun kann, wenn man bedroht wird und mit welchem Verhalten man Angriffen entgegentreten kann, ohne dass die Gewalt eskaliert.
Die Sendung wird am 15. Mai um 11.35 Uhr im ZDF und am 16. Mai um 10.00 Uhr im KI.KA ausgestrahlt. Internetinfos zu Sendung PuR allgemein
http://www.zdf.de/ZDFde/inhalt/3/0,1872,2039107,00.html

30.4.2004 im www.bildunsserver.de - Newsletter

 

Leimen/Heidelberg: 17-Jähriger tötet junges Lamm

Er prahlte mit Fotos vom toten Lamm - 17-Jähriger von Polizeiposten als Tatverdächtiger ermittelt - Das Lämmchen wurde totgetreten

Leimen. (pol-lx) Ein 17-Jähriger aus einer Gemeinde im westlichen Rhein-Neckar-Kreis soll am 29. März 2004 mittags auf dem Gelände des Freibads das wenige Tage alte Lamm getötet haben (vgl. RNZ vom 31. März). Nach den Ermittlungen des örtlichen Polizeipostens gilt der Jugendliche als dringend tatverdächtig. Bereits drei Tage nach der Tat, am 1. April, hatte sich gegen 17 Uhr ein durch die Presseveröffentlichung sensibilisierter Zeuge gemeldet und mitgeteilt, dass schon wieder zwei Jugendliche die Schafherde auf dem Freibadgelände herumscheuchten. Bei der sofortigen Fahndung nahmen Beamte des Wieslocher Reviers wenige Minuten später zwei Jugendliche fest, darunter den jetzt tatverdächtigen 17-Jährigen.

Ein Nachweis der Tat drei Tage davor war zu diesem Zeitpunkt noch nicht zu führen. Jedoch wiesen weitere Zeugenaussagen und Schuhspuren am Tatort auf den älteren der beiden Festgenommenen hin. Tage darauf wurde der Polizei bekannt, dass der 17-Jährige in seinem Freundeskreis damit geprahlt hatte, das Lamm am 29. März getötet zu haben. Zum Beweis dafür habe er Handy-Fotos von dem toten Tier gezeigt. Das Lamm war am Hinterbein aufgehängt, der Schwanz halb abgeschnitten worden. Die Polizei geht davon aus, dass der Jugendliche an diesem Montag die Schule geschwänzt und sich um die Mittagszeit beim Gelände des Freibades aufgehalten hatte. Gegen 12 Uhr scheuchte er die dort grasende Schafherde auf und trat das erst einige Tage alte Lamm, das sich in einem Elektrozaun verfangen hatte, tot. Nach bisherigem Ermittlungsstand sei er dabei allein gewesen.

Bei seiner Vernehmung durch die Ermittler des Polizeipostens Leimen bestritt der Verdächtige allerdings, etwas mit der Tat zu tun zu haben. Die von ihm in seinem Freundeskreis gezeigten Handy-Bilder wollte er von einem Unbekannten per MMS erhalten, die Tatschilderung frei erfunden haben. Nähere Angaben zum Wohnort des Schülers wollte Polizeisprecher Harald Kurzer gegenüber der RNZ nicht machen. Der Jugendliche besuche keine Leimener Schule.

Der 17-Jährige wird nach Abschluss der Ermittlungen bei der Staatsanwaltschaft Heidelberg wegen Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz sowie wegen Sachbeschädigung und Hausfriedensbruch angezeigt.
Auch der am 1. April ebenfalls festgenommene 15-Jährige wird wegen Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz angezeigt: Seit dem Herumscheuchen der Herde am 1. April lahmen einige der Tiere, so dass die Ermittler davon ausgehen, dass die Beiden auch an diesem Tag auf die Schafe eingetreten haben

RNZ vom 23.4.2004


Erschreckende Verrohung

Leimen. Kopfschütteln alleine genügt wohl kaum, um das sinnlose und brutale töten des wenige Tage alten Lamms auf seiner Weide im Freibad zu verkraften und zur Tagesordnung überzugehen. Es fehlen einem schlicht die Worte angesichts dieses die Grenzen eines jugendlichen Schabernacks weit überschreitenden Aggressionsabbaus. Besonders die makabren Begleitumstände geben zu denken. Das Töten eines Lamms allein genügte noch nicht, der Schwarz musste ihm abgeschnitten und der ganze Kadaver schließlich am Hinterbein aufgehängt werden. Das erinnert an Rituale, bei denen Köpfe aufgespießt werden.

Und wenn es wirklich zutrifft, dass der Betreffende hinterher bei seinen Freunden mit der Tat und Handy-Fotos prahlte, dann ist hier ein Wegbrechen jeglicher natürlicher Hemmschwellen, eine erschreckende Verrohung zu erkennen.

Rainer Laux in der Rhein-Neckar-Zeitung am 23.4.2004


 

Hildesheim: Folter in einer Klasse im Berufsvorbereitungsjahr

Ein Siebzehnjähriger wird gequält. Einer, der ein bißchen anders ist als die Mehrheit, unauffällig, eher schüchtern. Der sich nicht so kleidet, wie es anerkannt ist; der angeblich ein kleiner Nazi sein wollte, aber nicht einmal das richtig war, wie ein Punkmädchen verächtlich bemerkt. Einer, der keine Freunde hat, obwohl sich jetzt viele danach drängen, Freund gewesen zu sein, sobald sich nur eine Fernsehkamera auf sie richtet. Das Opfer wir im Materialraum der Schule monatelang brutal gefoltert,. Ein Raum, der eigentlich immer abgeschlossen sein müßte. Die Ungeheuerlichkeiten werden gefilmt, die Video per eMail versendet. Das ist neu. Das Vorzeigen erprügelter Jugendmacht gehört nicht zu den vertrauten Ritualen öffentlich ausgestellter Scheußlichkeiten. Niemand will etwas bemerkt, gesehen haben. Nicht die Mitschüler, auch kein Lehrer. Die einen beteuern die verzweifelt, die anderen zucken nur mit den Schultern.
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Die Gruppe der vier geständigen Folterer ist multikulturell - ein Deutscher, ein Türke, zwei Rußlanddeutsche.
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(Hildesheims leitender Jugendstaatsanwalt) Albrecht Stange wird ernster genommen, auch kennen ihn viele, denn Stange ist streng und hält trotzdem viel von Prävention. Er redet in Schulen; keine Predigten, sondern Aufklärung, Warnung. Bei ihm kann man auch lernen, warum "Jacke abziehen" keine Bagatelle ist, die immer mal wieder passiert, sondern Raub, der bestraft wird. Als es vor einigen Jahren schon einmal zu brutalen Übergriffen kam, hat er mit dafür gesorgt, dass die Übeltäter hinterher nicht wieder an die Siemens-Schule kamen, obwohl dies nicht im Sinne sanfter Wiedereingliedeung ist. Er weiß, wie ein Klima der Angst entsteht, wenn Straftäter allein wegen ihrer Jugend zu nachsichtig behandelt werden. Die, die sich schon immer vor ihnen fürchteten, haben dann noch mehr Angst.
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Die Werner-von-Siemens-Schule ist ein Lehrinstitut ganz im Sinne der Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn. Alle lernen unter einem Dach, alle sind gleich, eine große Familie. Nur dass nicht jeder jeden kennt. Die Berufsschüler nicht die Abiturienten, die Realschüler mit Lehre nicht die Hauptschüler. Die aus dem Berufsvorbereitungskurs  (aus dem die Täter kamen) kennen nur sich.
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FAZ am Sonntag vom 9.2.2004, kompletten Text auf www.faz.net lesen

 

 

Hildesheim: "das konnte man öfter gut sehen"

... Und der "harte Kern" begnügte sich nicht mit blöden Sprüchen. "Zwei Wochen nach den Herbstferien haben sie angefangen, mich zu schlagen", berichtet Dieter. Knuffe an den Kopf, Boxhiebe an den Oberarm, ständig Tritte, die er in den Klassenräumen, auf den Gängen und auf dem Pausenhof einstecken musste.

"Das konnte man öfter gut sehen", sagt Dieter über die tägliche Gewalt, die er einige Wochen später kaum noch bemerkenswert finden sollte. Und die auch keiner seiner Lehrer bemerkt haben will. Seine elf Mitschüler hielten dicht, auch Tim, der sich als einziger nicht an dem Schlaks aus Barnten vergriff. Der Rest der Klasse schlug zu. Alle. Manchmal mit Eisenteilen, bis Dieters Körper von blauen Flecken übersät war. All das passierte im so genannten Unterricht. Sein Lehrer saß allein am Schreibtisch im Werkraum, während Dieter nebenan im Materiallager misshandelt wurde, bis zu 20 Minuten lang. Die Gruppe sollte Metall holen oder zuschneiden - der Lehrer ging nicht mit, machte keinen Kontrollgang. "Er hat einfach immer nur da am Tisch gesessen."

Zweimal pro Woche hatte die 3B auch Unterricht im anderen Schulbau an der Rathausstraße. Auch da setzte es Prügel - immer dann, wenn der dortige Lehrer im "Glaskasten"-Büro innerhalb der Werkstatt verschwand und Schreibarbeiten erledigte.  Bald, etwa nach den Weihnachtsferien, erreichte die Quälerei dann eine neue Dimension. Einer der Mitschüler zog eine Digitalkamera aus der Tasche, Dieter musste sich ausziehen, Zigaretten essen. Noch immer machte die Klasse mit. "Ich will doch nicht der Dieter sein" - so rechtfertigten die Gruppenmitglieder ihr Mittun und Schweigen.

Doch auch Dieter schwieg. Kurz vor Weihnachten hatten ihn die Peiniger schließlich in der Schultoilette übel zusammengeschlagen. Danach brauchten sie nur noch mit dem Wort "Klo" zu drohen - und schon spurte ihr Opfer.
Einmal sprach ein Sportlehrer den Jungen an, als er den Eindruck hatte, dieser werde gepiesackt. Dieter wich aus, der Lehrer hakte nicht weiter nach. Mehr erzählte der Junge auch seinem besten Kumpel nicht, als dieser fragte, was denn in der Schule los sei: "Ich prügel` mich öfter mal." ...

Ganzen Text vom 7.2.2004 auf www.hildesheimer-allgemeine.de lesen

 

 

Prüm und Coburg: Schüler schlagen zu (7.2.2004)

13--Jähriger Coburger bewusstlos / Prüm: 16-Jähriger in U-Haft

Die Serie von Schülermisshandlungen reißt nicht ab. Nach den Gewaltexzessen an Schulen in Hildesheim und im oberbayerischen Walpertskirchen sind am Freitag, 6.2.2004,  zwei weitere Fälle bekannt geworden.
Ein 16-Jähriger der Berufsbildenden Schule Prüm in Rheinland-Pfalz sitzt seit gestern Nachmittag in Untersuchungshaft. Der Staatsanwaltschaft Trier zufolge wird ihm vorgeworfen, einen gleichaltrigen Mitschüler ohne jeden Anlass in mindestens fünf Fällen misshandelt zu haben. Der Beschuldigte habe die Taten überwiegend eingeräumt. Als Motiv gab er an, seine Mitschüler hätten ihn "genervt". Der Tatverdächtige soll seinen Mitschüler unter anderem mit einem Elektrokabel geschlagen haben.

Im oberfränkischen Coburg wurde laut Polizei am Vortag ein 13-Jähriger von einem Klassenkameraden und einem 14-Jährigen an einer Bushaltestelle bewusstlos geschlagen. Der Junge war wochenlang von Mitschülern gequält worden, weil er zu Schuljahresbeginn Mitschüler nicht bestehlen wollte. Beide Täter wurden festgenommen, sind inzwischen wieder auf freiem Fuß. Das Opfer liegt im Krankenhaus. Die bayerische Kultusministerin Monika Hohlmeier (CSU) forderte, hart durchzugreifen und plädierte am Freitag für die Einweisung der Täter in ein geschlossenes Heim. Der zuständige Schulamtschef Claus Langheinrich will stattdessen, dass sich Täter, Opfer und deren Eltern an einen Tisch setzen.

www.rnz.de vom
7.2.2004

Berufsbildende Schule Prüm:
http://www.bbspruem.de

 

Hildesheim: Fünfter Schüler wurde verhaftet

Im Foltervideo-Fall an einer Hildesheimer Berufsschule ist am Freitag, 6.2.2004, ein fünfter Beschuldigter verhaftet worden. Wie die «Hildesheimer Allgemeine Zeitung» (Samstags-Ausgabe) berichtet, hatte der 17-Jährige zuvor massiv Zeugen bedroht. Laut Staatsanwaltschaft handelt es sich dabei um einen 17-jährigen Deutschrussen. Er soll auf dem Pausenhof Zeugen aus der Parallelklasse eingeschüchtert haben - nur weniger Minuten, nachdem Obertstaatsanwalt Albrecht Stange und Kultusminister Bernd Busemann die Schüler zu mehr Zivilcourage aufgerufen hatten.

Nach Angaben des Blattes beteiligten sich bis auf einen alle elf Schüler der Klasse an den Prügeleien. Lediglich einer machte demnach nicht mit, wusste jedoch von den Taten.

Hildesheimer Allgemeine Zeitung und RNZ vom 7.2.2004

 

 

Walpertskirchen bei Erding: Erneut Quälerei an einer Schule

15-Jähriger in Bayern wurde wochenlang misshandelt

Wenige Tage nach dem Bekanntwerden der Gewaltattacken von Schülern gegen einen Klassenkameraden in Hildesheim wird ein ähnlicher Fall aus Bayern gemeldet. Im Landkreis Erding haben drei 15 Jahre alte Schüler einen 14-Jährigen wochenlang geschlagen, gehänselt und dabei gefilmt. Die Misshandlungen hatten sie mit einer Digitalkamera aufgenommen, um sie ins Internet zu stellen.

Die Leitung der Hauptschule in Walpertskirchen hatte die Polizei alarmiert, nachdem das Opfer auf dem Pausenhof bewusstlos zusammengebrochen war. Die drei Teenager hatten den Jungen in den Pausen immer wieder malträtiert. Sie zogen ihn in die Schultoilette und steckten seinen Kopf in die Kloschüssel. Die Szenen nahmen zwei weitere Schüler mit einer Digitalkamera auf. Die Lehrer hatten nichts mitbekommen. Die Täter erwartet ein Ermittlungsverfahren wegen gefährlicher Körperverletzung. Die Ermittler fanden eine CD mit den Fotos, als sie die Wohnungen der drei Jugendlichen durchsuchten. Der Haupttäter sei der Polizei wegen eines ähnlichen Vorfalls bekannt, so ein Polizeisprecher. Einem Bericht der Süddeutschen Zeitung zufolge war vor Jahresfrist ein Zwölfjähriger in der Hauptschule von Mitschülern so brutal verprügelt worden, dass er mit dem Rettungshubschrauber ins Krankenhaus gebracht werden musste.

www.walpertskirchen.de

BZ vom 6.2.2004

 

 

Hildesheim: Berufsschüler quälen 18-Jährigen monatelang vor Kamera

Ganze Klasse verhört / Lehrer sah möglicherweise tatenlos zu

Vier Hildesheimer Berufsschüler sollen über Monate hinweg einen 18-Jährigen gequält und nackt gefilmt haben. Klassenkameraden sollen den Misshandlungen tatenlos zugesehen haben. Das Opfer musste sich nach bisherigen Erkenntnissen ausziehen und seinen durch die Misshandlungen geschundenen Körper zeigen. Dabei lief eine Videokamera. Die Polizei führte am Montag die gesamte Berufsschulklasse zum Verhör ab. "Es besteht der Verdacht, dass die mutmaßlichen Täter die Aufnahmen im Internet verkaufen wollten", sagte der Sprecher der Hildesheimer Staatsanwaltschaft, Bernd Seemann, am Dienstag. Möglicherweise sei sogar ein Lehrer Zeuge der Vorgänge geworden, ohne einzuschreiten. Der Pädagoge wies den Vorwurf zurück.
Bei den verdächtigen Schülern der Hildesheimer Werner-von-Siemens Schule handelt es sich um einen 18-jährigen Russlanddeutschen sowie drei 17-Jährige aus Deutschland, Kasachstan und der Türkei. "Es wurde ein Verfahren wegen gefährlicher Körperverletzung eingeleitet", sagte Oberstaatsanwalt Bernd Seemann. Bei der Klasse handelte es sich um Schüler eines einjährigen Berufsvorbereitungskurses, laut Schulleiter vor allem Schüler ohne Hauptschulabschluss, die großteils "kaum eine Perspektive" hätten.

4.2.2004

 

Hildesheim: Ansprache des Schulleiters der Werner-von-Siemens-Schule

Schulversammlung am 03.02.2004
Liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Schülerinnen und Schüler!

Die schrecklichen Vorfälle, von deren Umfang wir alle jetzt erfahren haben, hat uns sehr betroffen gemacht. Besonders verwerflich finde ich die Brutalität und die Bestialität, mit der ein Mitschüler gepeinigt wurde, von dem man annehmen konnte, dass er nicht in der Lage war, nicht fähig war, sich zu wehren. Die scheinbar Kräftigen entpuppen sich damit als die in Wahrheit Schwachen, die feige nur auf Schwächere losgehen.

Schlimm ist dabei auch, dass es so viele Klassenkameraden gibt, die entweder aus Angst oder aus falsch verstandener Solidarität, vielleicht auch aus Schadenfreude mitmachten oder zumindest das Geschehen durch Schweigen tolerierten. Das hat nichts mit Stärke zu tun, nichts mit Männlichkeit, das ist einfach erbärmlich, feige und niederträchtig. Abscheulich ist es, sich am Leiden anderer zu weiden.

Das Geschehene ist furchtbar - wir verstecken uns nicht! Wir können nicht ungeschehen machen, was passiert ist. Wir können aber unsere Sinne schärfen und eine eigene Zivilcourage entwickeln, die eine Wiederholung unmöglich macht. Wir wollen die Geschichte nicht mit einem Mäntelchen zudecken und die Augen verschließen, wir wollen miteinander reden und überlegen, was wir besser machen können, wie wir erreichen können, dass wir einander mehr vertrauen, damit sich immer mehr trauen, Missstände und Gräueltaten zu offenbaren.

www.werner-von-siemens-schule.de , 3.2.2004

 


 

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